Endlich wieder wallfahren
Vorher anmelden, Maske tragen und Abstand halten: Unter Hygieneauflagen sind gut 300 Pilger zur Großen Wallfahrt nach Germershausen gekommen. Weihbischof Heinz-Günter Bongartz zelebrierte.
„Bitter“, so der Weihbischof, hätten die Menschen „die Verletzlichkeit des Lebens“ in den vergangenen Monaten erfahren. Die Pandemie habe ihnen deutlich gemacht, dass sie „hineingestellt“ seien „in eine befristete Zeit“. Nun herrschten Dankbarkeit und Freude angesichts der vollen Wiese vor dem Freialtar bei schönstem Sommerwetter. „Neuer Atem – neues Leben! Gott vertrauen, wie Maria“, zitierte Bongartz das Motto der Wallfahrt. In seiner Predigt bezog er sich auf Augustinus. Die Augustiner hatten jahrzehntelang die Pilger betreut. 2019 gingen sie.
Im vergangenen Jahr hatte die Große Wallfahrt aufgrund der Pandemie ausfallen müssen, bedauerte Duderstadts neuer Propst, Thomas Berkefeld. Als Pfarrer betreut er auch die Kirchengemeinde Seulingen, zu der Germershausen gehört. Im kommenden Jahr, so der Propst, hoffe er auf drei- bis viermal soviele Wallfahrer. Dafür bete er.
„Sehr vermisst“ habe sie das Pilgern, bekannte Adelheid Klausgrete aus der nahen Universitätsstadt Göttingen. Eine Wallfahrt helfe ihr, zur Ruhe zu kommen. Sie bitte um Hilfe. Seit zehn Jahren mache sie sich mit ihrem Mann auf den Weg, auch zu entfernteren Pilgerzielen wie dem französischen Lourdes oder dem portugiesischen Fatima.
Seit 1954 regelmäßig zur Wallfahrt in Germershausen
Bereits morgens um sechs Uhr hatte sich Hermann Sommer aus Hilkerode mit einer zehnköpfigen Pilgergruppe zum Gnadenbild Maria in der Wiese aufgemacht. Unterwegs wurde gesungen und gebetet. „Unter normalen Umständen wären wir dreimal so viele“, sagte Sommer. Die zehn Kilometer sind für den 75-jährigen Eichsfelder, der regelmäßig im Harz wandert, keine Herausforderung. Auf dem Rückweg saß er allerdings im Auto. Seine Frau war mit dem Wagen hinterhergefahren. „Schon als Junge kam ich zur Wallfahrt nach Germershausen – erstmals 1954 während der Weltmeisterschaft“, erinnerte sich Sommer.
„Den ersten Sonntag im Juli halten wir uns seit Schultagen immer frei für die Große Wallfahrt nach Germershausen“, sagte Ursel Bode, die mit Ehemann Karl Bode im Nachbarort Rollshausen lebt. Dass die Pandemie eine vorherige Anmeldung erforderlich machte, ist dem Ehepaar bereits von den Gottesdienstbesuchen vertraut. „Wir wollen alles tun, um eine vierte Welle zu verhindert“, betonte der Ehemann.
Die Leitern der Caritas-Tagespflege, Stefanie Jünemann, war mit fünf Senioren nach Germershausen gekommen. Maria Kellner aus Rhumspringe saß im Rollstuhl. Reinhold Oppermann aus Breitenberg schob sie.
Als Meßdiener schon 2011 beim Papstbesuch in Etzelsbach gedient
Mit einem E-Mobil war Elisabeth Goldmann angereist. „Ich komme auch am Montag, wenn wir in der Andacht der Verstorbenen gedenken“, kündigte sie an. Das Gebet für die Eltern, die Geschwister und ihren Ehemann, die alle schon gegangen seien, liege ihr am Herzen. Sie vertraue Gott, so die Eichsfelderin. Bis zu ihrer Knie-Operation fuhr sie mit dem Fahrrad nach Germershausen.
Wer auf das Gelände wollte, musste zur Registrierung und Händedesinfektion an einer Willkommensstation vorbei. „Die Vorbereitung ist viel aufwändiger geworden“, betonte Karl-Heinz Bode, der zum 20-köpfigen Wallfahrtsteam gehört. Seit 40 Jahren ist er mit Germershausen verbunden.
„Ich will meiner Gemeinde etwas zurückgeben“, erklärte Maximilian Fahlbusch aus Mingerode, einer der zehn Ministranten. Er durfte die Mitra und den Stab des Weihbischofs halten und ihm beides anreichen. Nervös machte ihn das nicht. Der junge Mann hat bereits 2011 beim Papstbesuch in Etzelsbach gedient, stand keine vier Meter vom Heiligen Vater entfernt. Fotos von diesem großen Tag hat er bis heute auf seinem Smartphone.
Musikalisch gestaltet wurde die Wallfahrt von Organist Julius Ruben Napp am Sakral-Keyboard und der Schola St. Andreas aus dem ehemaligen Grenzort Teistungen im Obereichsfeld.
Michael Caspar